Author: Andrea Hilgenstock

Es wird Blut fließen


Nicht zimperlich: Mit ihrer Kunst hinterfragt Sue de Beer, warum Gewalt cool sein kann

Am Tag X war sie in New York. Lieh sich gerade Horrorvideos aus zur Vorbereitung eines Vortrags über ihre Arbeit. Filme wie «Armageddon» mit Bruce Willis, in dem ein Komet New York zerstört. Ob sie angesichts des realen Grauens noch Lust hat, sich mit fiktivem Grusel zu befassen? «Jetzt erst recht», findet Sue de Beer. Ihre Kunst ist erstaunlich aktuell. Vielleicht, weil Brutalität und Gewalt in der Welt ständig zunehmen. In ihren Video-Installationen und Fotografien untersucht die junge New Yorkerin die Einstellung speziell ihrer Landsleute zu Mord und Totschlag.

Auch bei den Massakern an US-Schulen, hat sie beobachtet, nahmen Filme die Realität vorweg. Ein Albtraum, dem die 28-Jährige mit surrealen Albtraumsequenzen künstlerisch kritisch entgegentritt. Zur Zeit verwirklicht die neue Preisträgerin des Philip Morris Kunststipendiums ein Videofilmprojekt über jugendliche Täter im Klassenzimmer. Die werden oft wie ihre Opfer heldenhaft verehrt. Aus dem Internet weiß die Horrorexpertin von Amokschützen, die zu Robin-Hood-Figuren geworden sind, und zeigt Bilder mit der Aufschrift «Tears for Eric and Dylan» von einer Webside. Die Mörder tragen Basecaps und blicken naiv in die Runde. In ihrer Filmarbeit, die die Stipendiatin an der American Academy erst im kommenden Jahr fertig stellen wird, sind die Kerle vermutlich nicht wiederzuerkennen. Sicher ist nur: Es wird Blut fließen.

Da ist die mit Motiven aus Kino, Popmusik, Jugend- und Hochkultur spielende Künstlerin, deren Werke bereits in renommierte amerikanische Sammlungen Eingang fanden, nicht zimperlich. Ob sie uns in der Fotografie «Sasha» eine rauchende Frau mit unappetitlichen Eingeweiden präsentiert, in ihrem Videofilm «Heidi 2» den Mythos vom blonden Mädchen verfremdend weiterspinnt oder sich selbst am Computer so manipuliert, dass ein blutiger Riss durch ihren Körper geht - immer bieten ihre Arbeiten Stoff zum Nachdenken. Über Manipulation und Originalität, Fiktion und Wirklichkeit. Aber auch über die morbide Faszination des Makabren, von der Filmemacher und TV-Produzenten ebenso profitieren wie Künstler.

Dahinter steckt die Frage, warum Gewalt cool wirken kann - solange sie nur keinen persönlich trifft? Sue de Beer untersucht die Absicht der Täter und die Reaktionen der Öffentlichkeit. Man darf gespannt sein, zu welchen Ergebnissen sie während ihres Aufenthalts in Berlin kommt.